Als Antonio Vivaldi 1725 Die vier Jahreszeiten veröffentlichte, stellte er jedem der 4 Konzerte ein erklärendes Sonett voran.
Das Sonett zu dem Concerto mit dem Titel DER WINTER liest sich aus heutiger klimatischer Sicht beinahe schon etwas befremdlich, zumal aus der Feder eines Venezianers:
Inmitten eisigen Schnees zittert man vor Kälte.
Bei erbarmungslosem, schrecklichen Wind
läuft man unablässig mit den Füßen stampfend
und man klappert wegen der Kälte mit den Zähnen
Ruhige und zufriedene Tage verbringt man am Kamin,
während draußen viele vom Regen durchnässt werden.
Über das Eis geht man mit behutsamem Schritt
aus Furcht, bei unvorsichtiger Bewegung hinzufallen.
Geht man schnell, rutscht man aus und fällt zu Boden.
Geht man wieder auf’s Eis und läuft zu schnell,
kracht das Eis und zerbricht.
Aus verschlossenen Türen hört man sie herauskommen:
Südostwind, Nordwind und alle streitbaren Winde.
So ist der Winter. Doch er bringt auch viel Freude!
Wie hätte Vivaldi auch wissen können, dass seit unserer Jahrtausendwende eine neue, fünfte Jahreszeit im Entstehen begriffen ist, genau zwischen Winter und Frühling, zwischen Stiefel und Sandale gelegen, sehr entschleunigt und ganz besonders gemütlich.
Das wirft das Problem einer dadurch plötzlich vakanten letzten Stelle in Antonio Vivaldis Meisterwerk auf. Wer könnte diese kompositorische Lücke im Op. 8 besser ausfüllen als Maestro Vivaldi höchstselbst:
Hiermit präsentiere ich erstmals den WINTLING, letzter Teil aus Die fünf Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, bislang bekannt als Largo aus dem Concerto in D für Laute, RV 93
Und wer genau hinhört, wird neben dem obligatorischen winterlichen Huster und einem beinahe musikalisch korrekt einsetzenden Schlüsselbund sogar eine frühlingshafte, original italienische Sandale samt Klettverschluss erkennen…
DER WINTLING (Largo aus dem Concerto in D für Laute von Antonio Vivaldi, RV 93)
Kammersolisten Weinstadt, Leitung: Michael Davis / Gitarre: uuw
Livemitschnitt eines Konzertes in der Chiesa Santi Filippo e Giacomo, Airole